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Streitvermeidung beim Wechselmodell durch richtige Gestaltung!

Das Wechselmodell, die paritätische Betreuung der Kinder nach Trennung und Scheidung wird durch eine sensible und am Kindeswohl orientierte Elterngeneration immer beliebter. Immer mehr Eltern entscheiden sich für dieses, der gemeinsamen elterlichen Sorge entsprechende Betreuungsmodell, das die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern optimal abbilden kann. Es ist abzusehen, nicht zuletzt durch die Resolution des Europarates im Oktober 2015, dass das herkömmliche, noch geltende Residenzmodell des BGB in absehbarer Zeit ausgedient haben wirdDas Familienrecht hat diesen Wandel allerdings noch nicht vollzogen, auch das Steuerrecht und die Rechtsprechung hinken der gesellschaftlichen Realität hinterher. Bis zu einer gesetzlichen Neuregelung wird sich die Rechtsprechung mit der Lösung der dadurch ausgelösten Probleme befassen müssen.

Erst vor kurzem hatte der BGH Gelegenheit, die beim Wechselmodell in Literatur und Rechtsprechung streitige Aufteilung des staatlichen Kindergeldes auf die Eltern zu entscheiden. (BGH, Beschluss vom 20.4.2016, Az. XII ZB 45/15). Diese Entscheidung ist Anlass genug, nachfolgend den Stand der Judikatur zum Wechselmodell kurz darzustellen um dem Besucher eine Orientierungshilfe zu geben. Verwiesen wird auch auf verschiedene Beiträge des Verfassers zu diesem Thema.

Unterhalt im Wechselmodell

Das gesetzliche Grundmodell beim Unterhalt:
Der eine betreut, der andere zahlt! Was gilt aber, wenn beide betreuen?
Diese Frage beantwortet die Rechtsprechung danach, ob ein echtes oder ein unechtes Wechselmodell vorliegt. Ein echtes Wechselmodell liegt nur bei annähernd paritätischer Betreuung durch die Eltern vor. Die Differenz sollte nicht mehr als 10 % betragen. Da beide Eltern betreuen, leistet jeder Naturalunterhalt. Die Frage ob auch Barunterhalt zu bezahlen ist, hat das Gesetz nicht geregelt.

Der BGH zieht § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB heran, der bestimmt, dass beide Eltern anteilig nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen Barunterhalt zu leisten haben. Naturalleistungen beider Eltern können auf die Quote berücksichtigt werden. Die Höhe des Barunterhalts richtet sich nach dem gemeinsamen Einkommen und Vermögen beider Elternteile; der Kindesbedarf erhöht sich um die Mehraufwendungen durch die Wechselbetreuung.

Fehlt es hingegen an einer paritätische Betreuung durch die Eltern, liegt ein so genanntes unechtes Wechselmodell vor. Unabhängig vom Umfang der Betreuung verbleibt es bei der Lösung des Grundmodells: Der betreuende Elternteil erfüllt seine Unterhaltsverpflichtung gegenüber den Kindern durch Erziehung und Betreuung, der andere, umgangsberechtigte Elternteil, zahlt Barunterhalt; in Fällen erheblicher Naturalleistungen des umgangsberechtigten Elternteils kommt ausnahmsweise eine Anrechnung auf den Barunterhalt in Betracht.

Empfangszuständigkeit für das staatliche Kindergeld?

Das staatliche Kindergeld ist im Einkommenssteuergesetz geregelt. Danach ist derjenige Elternteil bezugsberechtigt, in dessen Obhut sich das Kind befindet. Der Ausgleich mit dem anderen Elternteil erfolgt beim Unterhalt intern.
Was aber beim echten Wechselmodell?
Eine Regelung fehlt.

Deshalb muss in der Praxis der Familienkasse beim Wechselmodell mitgeteilt werdenan wen das Kindergeld gezahlt werden soll. Eine dem entsprechende Vereinbarung ist unerlässlich. Scheitert eine Einigung entscheidet letztlich das Familiengericht, die Familienkasse behält bis zur Klärung das Kindergeld ein. Zugleich wird das Familiengericht bei einem echten Wechselmodell einen Bezugsberechtigten bestimmen, da nach dem Steuerrecht das staatliche Kindergeld jedem Elternteil zur Hälfte zusteht.

Wem steht das staatliche Kindergeld beim Wechselmodell zu?

Die Frage der Empfangszuständigkeit ist eine, das Behaltendürfen des staatlichen Kindergeldes eine andere Frage.

Ob und welchen Anteil die Eltern am staatlichen Kindergeld haben, richtet sich nach der jüngst ergangenen Entscheidung des BGH, die die bisher gängige Praxis eines hälftigen Ausgleiches ersetzt. Seine Lösung, dem Kindergeldbezieher ¾, dem anderen ebenfalls betreuenden Elternteil im entschiedenen Fall nur ¼ zuzusprechen, begründet der BGH damit, dass grundsätzlich die Hälfte des Kindergeldes bedarfsmindernd bei der Berechnung des Barunterhalts zu berücksichtigen ist. Die andere Hälfte des Kindergeldes werde nach der einkommensabhängigen Beteiligungsquote der Eltern am Barunterhalt ausgeglichen. Die bisherige Praxis, das staatliche Kindergeld grundsätzlich hälftig aufzuteilen, gehört damit der Vergangenheit an. Kostenaufwändige und streitanfällige Unterhaltsberechnungen dürften damit die Rechtspraxis in Zukunft zusätzlich belasten.

Kinderfreibetrag beim Wechselmodell: Zweimal voll oder je zur Hälfte?

Auch in dieser Stelle ist die Rechtsprechung uneinheitlich. Das OLG Dresden hat beim paritätischen Wechselmodell den Kinderfreibetrag jedem betreuenden Elternteil in voller Höhe zugesprochen, vgl. Beschluss vom 5.8.2015 20 WF 294/15, da es ein paritätisches Wechselmodell der Eltern grundsätzlich anerkennt. Die Entscheidung wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Eine höchstrichterliche Entscheidung liegt noch nicht vor.

Gerichtliche Vertretung des Kindes beim Wechselmodell ?

Grundsätzlich wird das Kind bei gemeinsamer elterliche Sorge von beiden Elternteilen vertreten. Wie aber, wenn das Kind im Falle des Getrenntlebens Ansprüche gegen den anderen Elternteil geltend machen möchte?

Mit der Vertretung des Kindes gibt es beim echten Wechselmodell Schwierigkeiten. Da kein überwiegendes Obhutsverhältnis vorhanden ist, kann ein Elternteil das Kind nicht gegen den anderen Elternteil vertreten (vgl. § 1629 Abs. 2 BGB) mit der Folge, dass das Kind gerichtlich nur durch einen Pfleger vertreten werden kann oder ein Elternteil gerichtlich die Alleinentscheidungsbefugnis (§ 1628 BGB) beantragt. Damit ist ein erhöhter Aufwand verbunden.

Zusammenfassung

Es empfiehlt sich daher dringend, und nicht nur das Wechselmodell zu vereinbaren, sondern durch rechtsverbindliche Absprachen auch die obigen Streitfragen im Einvernehmen zu regeln, soweit dies zulässig bzw. einem internen Ausgleich zugänglich ist.

Andernfalls steht zu befürchten, dass der gute Wille und die Einsicht der Eltern durch nachfolgende Streitigkeiten konterkariert wird und rasch in sein Gegenteil verkehrt.

Dr. Volker Rabaa Rechtsanwalt

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