RVR Rechtsanwälte Blog

Blog aus der anwaltlichen Beratungspraxis

Die Kanzlei RVR Rechtsanwälte ist schwerpunktmäßig im Familien-, Erb-, Wirtschaft- und Steuerrecht beratend tätig. Es kommt immer wieder vor, dass an der Schnittstelle verschiedener Rechtsgebiete sich äußerst interessante Fragestellungen ergeben. So auch kürzlich, als sich bei der Beratung über ein Testament die mit der Gestaltung nicht unmittelbar zusammenhängende Frage gestellt wurde, wie sich  bei Erhalt der Substanz eines Einfamilienhauses, welches zum Wohnen genutzt wird, gleichwohl ein überschießender Wert für den Lebensunterhalt nutzbar gemacht werden kann. Es handelt sich nicht um die Quadratur des Kreises, sondern um eine wirtschaftliche Frage, die die es rational zu beantworten und umzusetzen gilt.

Im gegenständlichen Fall waren die Bewohner nicht nur Lebens-sondern auch reiselustig. Nach wechselseitiger Erbeinsetzung kam die Frage auf, wie der Wertüberschuss, das „tote Kapital“, wie es ein Ehegatte bezeichnete, genutzt werden konnte. Ein Verkauf der Immobilie um die Gunst der Stunde am Markt zu nutzen, kam für beide Miteigentümer nicht infrage. Was ist zu tun?

Die Idee, das in der Immobilie gebundene Kapital zu nutzen, liegt auf der Hand. Aber wie? Vermietet werden sollte das Haus nicht, sondern als Wohnsitz weiterhin zur Verfügung stehen. Einen Teil verkaufen, beispielsweise durch Aufteilung in verschiedenen Wohnungen schafft in der Realisierung mehr Probleme als Lösungen, angefangen von den Kosten der Aufteilung, wenn eine solche baulich überhaupt in Betracht kommt, bis zu den Problemen, die im Gefolge einer Wohnungseigentümergemeinschaft auftreten. Betroffene können darüber ein Klagelied singen.

Also was tun? Wer jetzt glaubt, dass es sich dabei um einen Einzelfall handelt, der irrt! Von den über 70-jährigen lebt statistisch gesehen nahezu 50 % im eigenen Haus, weitere 10 % in einer Eigentumswohnung. In absoluten Zahlen leben mehr als 3,7 Millionen Senioren im Eigentum oder Miteigentum, sodass es nicht wundert, dass sich die Finanzbranche gerne dieses Problems angenommen hat. Der letzte Hit soll ein Teilverkauf der Immobilie sein !

Was es mit diesen Angeboten auf sich hat, insbesondere welche Kosten und Überraschungen damit verbunden sind, hat die Kanzlei anlässlich des oben dargestellten Falles geprüft. Unser Votum: Hände weg!

Gegenstand Verkaufes ist ein ideeller Miteigentumsanteil der Immobilie, es wird im Regelfall weder rechtlich selbstständiges Teileigentum noch Sondereigentum gebildet, sodass auch der besondere Schutz des Gesetzes entfällt. Das Miteigentum unterliegt vielmehr den Vorschriften des BGB über das Miteigentum, es kann jederzeit zwangsweise auseinandergesetzt werden mit allen damit zusammenhängenden Risiken, wie Tragung von Instandhaltungskosten, Zahlung einer laufenden Nutzungsentschädigung sowie Mitspracherechte bei der Vermietung die Begründung von Rechten auf Sicherheiten, bis zur Eintragung von Grundschulden auf den verkauften Anteil um nur einige der Horrorszenarien zu nennen. Mit anderen Worten: Mit dieser Fallgestaltung ist genau der Fall eingetreten, den die ursprünglichen Eigentümer vermeiden wollten. Deshalb zumindest sorgfältig den Kaufvertrag durchlesen einschließlich des Kleingedruckten!

Wer dennoch sein Haus als laufende Geldquelle wissen möchte, sollte zu einem anderen, dem vom Gesetz vorgesehenen Lösungsansatz greifen. Es geht um das sogenannte Leibrentenmodell, in dem der Eigentümer zwar die Immobilie vollumfänglich an einen Dritten verkauft, dafür aber ein lebenslanges Wohn-oder Nießbrauchsrecht erhält. Gegenüber dem Wohnrecht, das sich auf das persönliche Wohnen beschränkt, ist ein Nießbrauchsrecht vorzugswürdig, da der Nießbrauchsberechtigte die Wohnung an einen Dritten weitervermieten kann. Anstelle des Kaufpreises tritt eine regelmäßige Zahlung die sich der Höhe nach am Immobilienwert, der Lebenserwartung und dem Gegenwert für das Wohnrecht errechnet. Anders als beim Verkauf tragen die Käufer in der Regel auch die Kosten für die Erhaltung und Reparaturen, alles andere ist individuell vertraglich im Leibrentenvertrag zu regeln.

Wie das obige Beispiel zeigt, stellen sich so scheinbar einfache Fallgestaltungen bei näherer Betrachtung so komplex dar, dass die Realisierung und Umsetzung in vertraglich belastbare Vereinbarungen unter Berücksichtigung sämtlicher rechtlicher und steuerrechtlicher Aspekte vor einer Umsetzung sorgfältig zu prüfen ist. Vertrauen Sie dabei auf unsere Hilfe!

Ihr RVR Team

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