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EU-Erbrechtsverordnung 2015

Gilt ab 2015 spanisches Erbrecht für deutsche Staatsbürger? – Eine EU-Verordnung sorgt für Aufregung

Im Zuge der gesamteuropäischen Rechtsvereinheitlichung hat die EU nach der Regelung zahlreicher familienrechtlicher Teilbereiche nunmehr auch das Erbrecht in Angriff genommen.

Bisher konnten Sie sich als deutscher Staatsangehöriger darauf verlassen, dass Ihnen Ihre Staatsangehörigkeit in erbrechtlicher Hinsicht bei Auslandsaufenthalten quasi wie ein „Schatten“ folgte und den Erbgang nach Ihrem Tod beeinflusste:

Verstarb ein deutscher Staatsangehöriger während eines Auslandsaufenthaltes im Ausland, wurde er nach deutschem Erbrecht beerbt. Dies galt unabhängig davon, wie lange er sich im Ausland aufgehalten hatte. Ob ein mehrjähriger beruflicher Aufenthalt beispielsweise in Großbritannien oder nur ein 2-wöchiger Sommerurlaub in der Toskana – es galt immer deutsches Erbrecht.

Nach dem Willen der EU hat sich das grundsätzlich geändert:

Seit August 2015 kommt es nach der neuen EU-Erbrechtsverordnung für das anzuwendende Erbrecht nicht mehr auf die Staatsangehörigkeit des Erblassers, sondern auf seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Todeszeitpunkt an.

Leider ist in der Verordnung eine Definition des Begriffes gewöhnlicher Aufenthalt nicht enthalten. Es muss deshalb eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände im Todeszeitpunkt vorgenommen werden, insbesondere wird es auf die Dauer und Regelmäßigkeit des Aufenthalts im Ausland ankommen. Verlangt wird eine enge und feste Beziehung zu einem ausländischen Staat, die sicher nicht bei einem kurzen Urlaubsaufenthalt gegeben ist. Die Grenzen sind aber fließend. Mangels klarer zeitlicher Vorgaben wird es der Rechtsprechung obliegen, darüber im Einzelfall zu entscheiden. Da es eine Rechtsprechung zu diesem Problem noch nicht gibt, ist Vorsicht angebracht.

Lag der gewöhnliche Aufenthalt z.B. in Spanien, da sich die Eheleute, um dem nasskalten deutschen Winter zu entfliehen, in Palma de Mallorca eine Ferienwohnung gekauft haben und dort regelmäßig überwintern, oder lag der gewöhnliche Aufenthalt in Tschechien, da die Ehegatten die günstigen Konditionen in tschechischen Pflegeheimen ausnutzen wollten, gilt spanisches bzw. tschechisches Erbrecht.

Mit dem anzuwendenden Recht ist grundsätzlich auch die Zuständigkeit der ausländischen Gerichte gegeben, so dass in den obigen Beispielsfällen spanische bzw. tschechische Gerichte zuständig sind.

Die Erbschaftssteuer wird von der Verordnung allerdings nicht erfasst.

Da das Erbrecht in den europäischen Staaten unterschiedlich ausgestaltet ist, z.B. im englischen Recht kein Pflichtteilsrecht besteht und im französischen Recht der Ehefrau nur ein Nießbrauchsrecht zukommt, müssen Sie bei einem längeren Aufenthalt im Ausland durch Erbrechtsspezialisten prüfen lassen, ob das deutsche oder ausländische Erbrecht für Sie vorteilhafter ist.

Um insoweit unliebsame Überraschungen beim Erbfall zu vermeiden, ist zu empfehlen, eine Rechtswahlklausel zu Gunsten des deutschen Rechts in Ihre letztwillige Verfügung aufzunehmen und eine entsprechende Gerichtsstandsvereinbarung zu treffen, wenn Sie sich nicht bewusst für die Geltung des ausländischen Erbrechts entscheiden. Bestehen bereits Erbverträge oder Testamente ist eine Abänderung geboten.

Aber Achtung

Sie können nur Ihr jeweiliges Heimatrecht wählen. Sind Sie also nicht Deutscher, können Sie grundsätzlich keine Rechtswahl zu Gunsten des deutschen Erbrechts treffen.

Zum anderen muss die Rechtswahl einheitlich für den gesamten Nachlass erfolgen und kann nicht nach dem jeweils günstigsten Recht aufgespalten werden. Eine Regelung dergestalt, dass Sie für Ihr bewegliches Vermögen, wie z.B. Ihre Bankkonten, Ihre Kunstsammlung, Ihren Fuhrpark deutsches Recht und für Ihr unbewegliches Vermögen, wie z.B. Ihre Eigentumswohnungen und Ferienhäuser französisches Recht wählen, ist nicht zulässig.

Sprechen Sie uns rechtzeitig an!

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