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Türkei-Putsch hat Folgen auch für Eltern in Deutschland

In unserem Blog vom 2. Juni 2016 „Sorgerecht im Urlaub“ haben wir das Thema besprochen, welche Voraussetzungen erforderlich sind, damit ein Elternteil, insbesondere bei Auslandsreisen, alleine über das Reiseziel entscheiden kann und wann es der Zustimmung des anderen Elternteils bedarf.

Die Rechtslage:

Haben beide Eltern die gemeinsame elterliche Sorge für das Kind, ist die Zustimmung des anderen Elternteils nur dann erforderlich, wenn die Reise eine „Angelegenheit von erheblicher Bedeutung“ für das Kind ist.
Grundsätzlich gilt, dass eine Reise innerhalb des EU-Auslandes in der Regel ohne die Zustimmung des anderen Elternteils durchgeführt werden kann. Anders sieht es aber dann aus, wenn durch diese Reise eine Gefahr für das Kind besteht.

Grundsätzlich ist dies der Fall, wenn für das Land einer Reisewarnung des Auswärtigen Amts besteht.

Der konkrete Fall:

Das Oberlandesgericht Frankfurt (OLG Frankfurt a.M. 21.7.2016 5 UF 206/16) hat jetzt aktuell entschieden, dass eine Urlaubsreise in die Türkei derzeit von einem Elternteil nicht ohne die Zustimmung des anderen sorgeberechtigten Elternteils unternommen werden kann.

Im konkreten Fall wollte eine Mutter mit ihrem Kind im türkischen Urlaubsort Side Urlaub machen, doch der Vater hielt dies angesichts der aktuellen Lage in der Türkei für zu gefährlich. Sie konnten sich nicht einigen, so dass letztlich in zweiter Instanz das Oberlandesgericht Frankfurt entscheiden musste, ob die Mutter über die Durchführung der Reise und insbesondere das Reiseziel alleine entscheiden darf.

Die Reise hat die Mutter bereits im Januar 2016 gebucht. Reisetermin war Ende Juli bis Anfang August 2016. Die Eltern sind geschieden und haben das gemeinsame Sorgerecht für das Kind. Die Mutter bat im Mai 2016 den Kindesvater um Zustimmung zu der Reise. Dieser hat bereits damals die Zustimmung versagt und dies mit der aktuellen politischen Lage und einer eventuellen Terrorgefahr begründet. Dies sei zu gefährlich für das Kind.

Die erste Instanz hat zunächst entschieden, dass die Mutter über die Durchführung der Türkeireise mit dem 8-jährigen Sohn alleine entscheiden kann.

Hiergegen wehrt sich der Kindesvater mit seiner Beschwerde. Er macht geltend, dass sich durch die Ereignisse, die nach der Beschlussfassung in der Türkei stattgefunden haben, die Gefährdung für das Kind durch eine solche Urlaubsreise noch konkreter geworden sei. Es sei geboten, die Reise zu verwehren. Die Mutter hingegen argumentiert, es gäbe – auch nach dem Putschversuch – keine Sicherheitswarnung des Auswärtigen Amtes hinsichtlich vom Reisen in die Ferienregion von Side.

Die Entscheidung des Gerichts:

Das OLG Frankfurt hat die Wirksamkeit des Beschlusses des Amtsgerichts hinsichtlich der Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf die Kindesmutter einstweilig ausgesetzt, da hier besondere, mit dem Reiseziel zusammenhängenden Risiken vorlägen. Die Türkei war in letzter Zeit mehrfach Ziel terroristischer Anschläge. Auch die Region von Antalya/ Side war im Jahr 2015 bereits von solchen Anschlägen betroffen. Schon vor Monaten wurde in den Medien berichtet, dass es Drohungen extremistischer Gruppen mit Anschlägen in der Touristenregion gibt.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse in der Türkei kann die Haltung des Kindesvaters nicht als schikanöse Intervention abgetan werden. Auch wenn die Mutter die Sorge des Vaters nicht teilt und als sicher davon ausgeht, dass die Reise gefahrlos durchgeführt werden kann, bedeutet dies nicht, dass die Befürchtungen des Vaters von vornherein unbegründet sind.

Die Regierung der Türkei hat inzwischen den Ausnahmezustand ausgerufen. Bei dieser Sachlage besteht eine konkrete Gefahr, dass es in der Türkei zu Unruhen kommen kann, die auch Auswirkungen auf die Urlaubsregionen haben können. Anders als das Familiengericht hält das OLG– vor allem auch wegen der aktuellen Ereignisse – die nachteiligen Folgen für das Kindeswohl, die ein Nichtantritt des Urlaubs mit sich bringt, für weniger gravierend als die möglichen Folgen, die eine Durchführung der Urlaubsreise nach Side haben kann.

Fazit:

Folgt man der Rechtsprechung des Oberlandesgericht Frankfurt, sind Reisen in die Türkei zum gegenwärtigen Zeitpunkt daher nur möglich, wenn beide Elternteile, die sorgeberechtigt sind, der Reise zustimmen. Ob im Einzelfall andere Familiengerichte dieser Rechtsauffassung folgen werden, bleibt abzuwarten.

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