1. Eheauflösungsrecht
Anders als in Deutschland ist in der Schweiz die Konsensualscheidung ohne vorangegangene Trennung möglich. Rund 76 % der Scheidungen erfolgen auf diese Weise. Voraussetzung ist ein gemeinsames Begehren sowie eine umfassende Einigung über die Scheidungsfolgen oder eine teilweise Einigung, wobei die fehlenden Regelungen dem Gericht überlassen oder hierzu streitige Anträge gestellt werden. Bei der einverständlichen Scheidung hat sich das Gericht davon zu überzeugen, dass das Scheidungsbegehren und die getroffene Vereinbarung auf dem freien Willen der Parteien beruhen. Aus diesem Grund finden zunächst Einzelanhörungen der Ehegatten statt, um auszuschließen, dass ein Partner unter Druck gesetzt wurde. In einer zweiten gemeinsamen Anhörung prüft das Gericht die getroffene Regelung inhaltlich. Zu diesem Zweck haben die Ehegatten alle erforderlichen Belege wie Lohnabrechnungen, Konto- und Depotauszüge sowie Steuererklärungen vorzulegen. Jedoch ist die gerichtliche Kontrolle darauf beschränkt, zu überwachen, dass das Ergebnis der Vereinbarung nicht offensichtlich unbillig ist. Sodann muss eine zweimonatige Bedenkzeit eingehalten werden, nach deren Ablauf jede Partei die Scheidungsvereinbarung schriftlich zu bestätigen hat. Erst nach dieser Bestätigung erhält die Einigung Bindungswirkung.
Besteht kein gemeinsamer Wille zur Ehescheidung, kann die Ehe auch durch Klage auf Ehescheidung geschieden werden. Voraussetzung für einen streitigen Scheidungsantrag ist die Einhaltung einer zweijährigen Trennungszeit. Anders als in Deutschland wird jedoch bei einer Trennung innerhalb der Ehewohnung nicht verlangt, dass die Eheleute den Haushalt getrennt führen.
Eine Besonderheit stellt das Institut der Ehetrennung dar. Es gibt den Eheleuten die Möglichkeit, unter den gleichen Voraussetzungen, die für die Scheidung gelten, statt einem Scheidungsurteil ein Urteil über die erfolgte Trennung zu erlangen. Bedeutung hat es für Ehegatten, die aus religiösen Gründen die Scheidung ablehnen. Darüber hinaus kann die Ehetrennung der Scheidung vorgezogen werden, wenn z.B. das Fortbestehen der erb- und sozialrechtlichen Ansprüche insbesondere bei älteren Ehepaaren gesichert werden soll. In der Praxis spielt dieses Rechtsinstitut nur eine untergeordnete Rolle.
2. Scheidungsfolgenrecht
Das Recht des Unterhaltes für die geschiedenen Eheleute beruht auf dem Grundsatz der Eigenversorgung (clean break). Soweit ein Ehegatte bspw. wegen der Kinderbetreuung in der Eigenversorgung eingeschränkt ist, ist der andere Ehegatte verpflichtet, einen „angemessenen Beitrag“ zu leisten.
Von den Gerichten in der Schweiz werden unterschiedliche Berechnungsweisen für den Unterhalt angewandt. Die abstrakte Berechnungsweise nach Prozentsätzen ist die herkömmliche Berechnungsweise. Sie hat den Vorteil der Einfachheit. Andererseits führt sie zu starren Ergebnissen, sodass sie mehr und mehr durch eine dreistufige Bedarfsberechnung ersetzt wird. Ausgangspunkt sind hier die Richtlinien über die Lohnpfändungsgrenzen der zuständigen kantonalen Aufsichtsbehörden über die Beitreibungsämter. Dem pfändbaren Einkommen werden die Wohn- und Nebenkosten sowie die vom Lohn nicht abgezogenen Sozialabgaben und Berufsauslagen hinzugerechnet. In einem zweiten Schritt wird das Existenzminimum zum familienrechtlichen Grundbedarf erweitert, indem Steuern, Versicherungsbeiträge, Drittbelastungen sowie Kosten für öffentliche Verkehrsmittel berücksichtigt werden. Schließlich wird der familienrechtliche Grundbedarf vom Gesamteinkommen der Eheleute abgezogen. Der verbleibende Überschuss wird hälftig geteilt.
Der gesetzliche Güterstand ist die Errungenschaftsbeteiligung. Obwohl diese in ihrer Grundkonzeption der vermögensmäßigen Trennung der Ehegatten während der Ehe und den gegenseitigen Beteiligungsanspruch bei Auflösung des Güterstandes der deutschen Zugewinngemeinschaft ähnlich ist, bestehen doch in der Einzelausgestaltung erhebliche Unterschiede. Bei der Errungenschaftsbeteiligung ist zunächst zwischen dem Eigentum von Mann und Frau zu unterscheiden. Innerhalb der Vermögensmassen beider Ehegatten wiederum zwischen der jeweiligen Gütermasse Errungenschaft und Eigengut zu differenzieren. Zur Errungenschaft zählen Vermögenswerte, die ein Ehegatte während der Dauer des Güterstandes entgeltlich erwirbt. Gesetzlich zu Eigengut bestimmt sind Gegenstände zum persönlichen Gebrauch, das voreheliche Vermögen und die während der Ehe angefallenen Erbschaften bzw. Schenkungen. Bei Auflösung der Errungenschaftsbeteiligung ist in mehreren Schritten abzurechnen: Nach der Vermögensrückabgabe und Regelung der gegenseitigen Schulden sind Ersatzforderungen zwischen dem Eigengut und der Errungenschaft jedes Ehegatten abzurechnen, so z.B. wenn aus Arbeitserwerb (Errungenschaft) Gegenstände zum ausschließlich persönlichen Gebrauch (Eigengut) erworben wurden. Was vom Gesamtwert der Errungenschaft verbleibt, bildet den sogenannten Vorschlag. Jedem Ehegatten steht die Hälfte des Vorschlages des anderen zu. Ein Rückschlag (Negativsaldo) wird nicht berücksichtigt.
In der Schweiz ist im Falle der Scheidung zwingend eine Entscheidung über den Verbleib der elterlichen Sorge zu treffen. Im Regelfall wird einem Elternteil die Alleinsorge übertragen. Erst im Jahre 2000 wurde eine Grundlage dafür geschaffen, dass Eltern nach der Scheidung die gemeinsame elterliche Sorge beibehalten können. Die Beibehaltung der gemeinsamen Sorge setzt jedoch voraus, dass die Eltern sich über die Betreuung der Kinder und den Kindesunterhalt einigen und kooperationsbereit sind. An diesen Voraussetzungen scheitern die meisten Paare mit der Folge, dass in der Regel der Kindesmutter das Sorgerecht übertragen wird und es in der Schweiz ganz überwiegend noch die quot;Wohnmütterquot; und Besuchsväterquot; gibt. Kriterien für die Entscheidung über die Übertragung des Sorgerechts sind – ähnlich dem deutschen Recht – das Kindeswohl, die Beziehungs- und Erlebniskontinuität und die Fähigkeit zur Betreuung.