RVR Rechtsanwälte Blog

Ehegattenerbrecht und Pflichtteil

Hätten Sie’s gewusst? Recht erfahren mit RVR – Ehegattenerbrecht und Pflichtteil

Sich zurechtzufinden bei den oftmals komplizierten Regelungen des deutschen Erbrechts fällt nicht leicht. Die Gestaltungsmöglichkeiten sind so vielfältig, dass die Wahl der „richtigen“ Regelung, sei es mithilfe des gesetzlichen oder testamentarischen Erbrechts, schwer fällt.

Denn zunächst gilt es zu entscheiden, ob für Sie die Regelungen des gesetzlichen Erbrechts passend sind oder Sie testamentarisch verfügen sollten. Wenn Sie kein Testament bzw. kein Erbvertrag errichtet haben, gilt das gesetzliche Erbrecht, wonach die Verwandten des Verstorbenen sowie der Ehegatte erben.

1. Wie erben meine Kinder und mein Ehegatte?

Haben Sie bei ihrer Eheschließung keinen notariellen Ehevertrag geschlossen, leben Sie automatisch im gesetzlichen Güterstand der „Zugewinngemeinschaft“. Dies betrifft mehr als 90 % der Ehen in Deutschland.

Grundsätzlich gilt
Hinterlassen Sie neben Ihrem Ehegatten Kinder bzw. Enkel, erbt Ihr Ehegatte nach Ihrem Tod die Hälfte Ihres Vermögens. Die restliche Hälfte erben Ihre Kinder, egal ob ehelich, unehelich, aus erster oder zweiter Ehe, oder adoptiert, bzw. Ihre Enkel zu gleichen Teilen.

Haben sie weder Kinder noch Enkel, erbt Ihr Ehegatte dreiviertel Ihres Vermögens.

2. Erbt mein Ehegatte wenn wir uns getrennt haben?

Die Trennung alleine ändert nichts am Erbrecht Ihres Ehegatten. Auch wenn Sie in unumstößlicher Trennungsabsicht aus der Ehewohnung ausgezogen sind, ist Ihr Ehegatte bei Ihrem Tod erbberechtigt. Wollen Sie dies ändern, müssen Sie testamentarisch verfügen. Das Pflichtteilsrecht Ihres Ehegatten können sie dadurch jedoch nicht umgehen.

Das Erbrecht fällt erst dann weg, wenn Sie einen Scheidungsantrag gestellt bzw. dem Scheidungsantrag Ihres Ehegatten zugestimmt haben und die Voraussetzungen für eine Ehescheidung vorliegen. Dies setzt in der Regel mindestens ein einjähriges Getrenntleben voraus.

Während des Getrenntlebens besteht das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten also fort und zwar so lange, bis sie entweder Scheidungsantrag gestellt oder testamentarisch verfügt haben. Letzteres ist bei längerem Getrenntleben dringend geboten!

3. Erbt mein nichtehelicher Lebensgefährte?

Ihr nichtehelicher Lebensgefährte zählt nicht zu den erbberechtigten Verwandten. Unabhängig davon, wie lange Sie schon zusammengelebt haben, hat Ihr Lebensgefährte kein gesetzliches Erbrecht nach Ihrem Tod. Wollen sie dies ändern, müssen Sie testamentarisch verfügen oder heiraten!

4. Kann ich mein Kind enterben?

Theoretisch ja, praktisch nein.

Wenn Sie Ihr Kind testamentarisch enterben, hat Ihr Kind nach Ihrem Tod einen Pflichtteilsanspruch. Dies ist ein Anspruch auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme gegen den Erben in Höhe der Hälfte der gesetzlichen Erbquote.

Wenn Sie ohne Ehevertrag verheiratet sind und zwei Kinder haben, erbt im Falle Ihres Todes gesetzlich Ihr Ehegatte zur Hälfte, die andere Hälfte jeweils zu einem Viertel Ihre Kinder. Haben Sie Ihre Kinder testamentarisch enterbt, beträgt der Pflichtteil eines jeden Kindes folglich ein Achtel.

Die konkrete Höhe der zu bezahlenden Geldsumme richtet sich nach Ihrem Vermögen im Todesfall abzüglich gewisser Verbindlichkeiten, wie z.B. Beerdigungskosten und Ihre Schulden. Ihr Kind hat gegen den Erben nach Ihrem Tod einen Auskunftsanspruch, wie hoch das Vermögen ist, aus dem sich der Pflichtteil berechnet.

Pflichtteilsberechtigte sind nur Ihre Abkömmlinge, das heißt Kinder und Enkel, sowie der Ehegatte und gegebenenfalls die eigenen Eltern. Ihre Geschwister, Neffen und Nichten sowie Stiefkinder bleiben außen vor. Wenn Sie also keine Kinder haben und Ihr gesamtes Vermögen dem Deutschen Roten Kreuz vererben wollen, können Ihre Geschwister keinen Pflichtteil verlangen.

Die mehr oder weniger einzige Möglichkeit den Pflichtteilsanspruch zu umgehen, ist der Abschluss eines notariellen Pflichtteilsverzichtsvertrags mit ihrem Kind gegen Zahlung einer Abfindung.

Wenn Sie mehr erfahren wollen, besuchen Sie unsere Vorträge oder lesen unseren gerade erschienenen Erbrechtsratgeber Vererben, Verschenken, Vorsorgen.

Tipp: Wenn Sie einen unserer Vorträge besuchen, erhalten Sie den Erbrechtsratgeber als Vortragsskript zur Nachbearbeitung!

Autor/in

3 Antworten

  1. Meine Mutti hat von ihrem zweiten Gatten eine Hütte geerbt. Sie wusste aber nicht, dass er so viele Steuerschulden hatte. Wäre es sinnvoll, den Vermächtnisanspruch in solchem Fall geltend zu machen? Besten Dank im Voraus!

  2. Sinnvolle Tipps, danke! Der Opa hat sein Erbe zwischen mir und meiner Schwester geteilt und das hat er in seinem Testament angegeben. Die Schwester hat aber schon ihren Vermächtnisanspruch offenbar geltend gemacht, ich aber noch nicht. Meinen Teil möchte ich aber an meinen Sohn übergeben, damit er sein Nest gründen könnte. Auf der Suche nach der fachlichen Beratung wären mit die Kenntnisse der zeitlichen Rahmen nicht stören, danke im Voraus!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Diese Seite ist durch reCAPTCHA und Google geschütztDatenschutz-Bestimmungen UndNutzungsbedingungen anwenden.

The reCAPTCHA verification period has expired. Please reload the page.

Weitere Blogbeiträge

Zum Jahresanfang trat die Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts in Kraft. Der nachfolgende Beitrag gibt einen kurzen Überblick über die wesentlichen praktisch relevanten Änderungen.
Stellen Sie sich bitte folgende Situation vor: Sie regeln Ihren Nachlass in allen Einzelheiten, Sie geben sich jede denkbare Mühe, Ihren letzten Willen zu formulieren und möchten sichergehen, dass dieser Wille auch von allen Beteiligten respektiert wird.
Mit Blogbeitrag vom 11. August diesen Jahres hatte ich Ihnen bereits einen Überblick über die Möglichkeiten der Testamentsvollstreckung gegeben. Der nachfolgende Beitrag zeigt auf, wie unerfahrene oder böswillige Erben den Nachlass gefährden oder gar vernichten können.
Egal wie viel Mühe man sich mit seinem künftigen Nachlass gibt, wenn der Fall der Fälle eintritt, können Sie selbst die Erbauseinandersetzung nicht mehr überwachen. Die Lösung dieses Problems liegt in der Bestimmung eines Testamentsvollstreckers. Hierbei handelt es sich um eine sachkundige Person Ihres Vertrauens, die nach Ihrem Tod dafür Sorge trägt, dass Ihre Anordnungen fachgerecht umgesetzt werden. Der Testamentsvollstrecker hat die Aufgabe, Ihren Nachlass auseinanderzusetzen und, wenn erforderlich, zu verwalten.
Ein nicht seltenes Beispiel zeigt, dass der Vertragsgestalter sowohl das materielle Recht, als auch die steuerlichen Folgen der Schenkung im Auge haben muss.