Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden. Es hatte das Recht, die eigene Abstammung zu kennen, gegen die Interessen eines potentiellen biologischen Vaters, einen DNA-Test verweigern zu können, abzuwägen.
Die Entscheidung ernüchtert.
Zwar sei das Recht auf Kenntnis der Abstammung durch das Grundgesetz gewährleistet. Der Gesetzgeber habe aber im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) seinen Gestaltungsspielraum korrekt ausgeübt, wenn er bestimmt hat, dass Kinder nur ihren rechtlichen Vater zu einem DNA-Test zwingen können.
Zum Verständnis der Entscheidung nachfolgende Erläuterungen:
Als „rechtlicher Vater“ gilt, wer:
- mit der Mutter zur Zeit der Geburt verheiratet gewesen ist oder
- die Vaterschaft anerkannt hat.
Ergebnis: Die Möglichkeit, einen DNA-Test vom biologischen Vater zu erzwingen, besteht nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts derzeit nicht.
Begründet wird die Entscheidung u.a. damit, dass die Zulässigkeit einer isolierten Klärung der Abstammung zwischen Personen, die nicht durch ein rechtliches Eltern-Kind-Verhältnis verbunden seien, Abstammungsuntersuchungen „ins Blaue“ hinein ermöglichen.
Das Ergebnis – so es negativ ausfiele – würde dem Kind nicht die gewünschte Gewissheit über seine leibliche Abstammung verschaffen, auf der anderen Seite aber – weitgehend irreversibel – die Grundrechte des vermuteten Vaters beeinträchtigen.
Was bedeutet die Entscheidung für die Praxis?
Danach gibt es nach aktuellem Recht nur noch folgende Möglichkeiten, den leiblichen Vater festzustellen:
Vaterschaftsanfechtung und Vaterschaftsfeststellung
1. Hat ein Mann Zweifel, ob sein Kind wirklich von ihm stammt, kann er die Vaterschaft anfechten. Gleiches gilt auch für die Mutter oder das Kind selbst, ebenso für einen Mann, der meint, biologischer Vater zu sein.
2. Auch der umgekehrte Fall ist denkbar. Bei Unklarheit über die wahre Vaterschaft kann diese zweifelsfrei per DNA-Test festgestellt werden. Für den Antrag muss es konkrete Gründe bzw. Anhaltspunkte geben, da das Ergebnis weitreichende rechtliche Folgen hat, nicht nur die Abstammung, sondern beispielsweise Sorgerecht, Unterhaltsansprüche sowie Erbansprüche.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts befasste sich „nur“ mit einer Abstammungsklärung
Erst seit dem Jahre 2008 ist es möglich, die Abstammung ohne rechtliche Konsequenzen überprüfen zu lassen. Einen gesetzlichen Anspruch darauf haben nur das Kind, seine Mutter und der Mann, der rechtlich als Vater gilt. Nur diese Personen können den jeweils anderen zum Gentest zwingen. Ausgeschlossen ist aber der vermutete biologische Vater. Steht fest, dass tatsächlich keine biologische Verwandtschaft gegeben ist, kann – muss aber nicht – die Vaterschaft angefochten werden.
Ist das Kind gegenüber dem biologischen Vater jetzt rechtlos? – Nein
Einem Kind, das seine Abstammung von einem Mann klären will, den es für seinen leiblichen Vater hält, ist auch nach der aktuellen Gesetzeslage und nach dem Urteil des Bundesverfassungsgericht nicht rechtlos gestellt. Es kann nach § 1600d BGB die Feststellung der Vaterschaft dieses Mannes beim Familiengericht beantragen und damit inzident dessen leibliche Vaterschaft klären lassen. Ist die biologische Vaterschaft gegeben, entsteht ein rechtliches Vater-Kind-Verhältnis mit allen damit verbundenen wechselseitigen Rechte und Pflichten (Sorgerecht, Unterhaltsansprüche sowie Erbansprüche).
Will das Kind eine rechtlichen Beziehung zum vermuteten Vater mit allen Konsequenzen herstellen, kann es die Feststellung der Vaterschaft beantragen. Eine reine Abstammungsklärung zum biologischen Vater – ohne rechtlichen Folgen – ist derzeit nach geltendem Recht, wie das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, (noch) nicht möglich.
Als Reaktion auf das Urteil hat der Gesetzgeber angekündigt, die jetzige Gesetzeslage zu prüfen und ggf. Änderungen im Abstammungsrecht vorzunehmen.
Wir halten Sie in unserem Blog über die weitere Entwicklung auf dem Laufenden. Bleiben Sie dran!